Bei weit über 90.000 offiziell registrierten Verstößen und bis zu 180.000.000 gefälschten Artikeln innerhalb eines Jahres gehört die Europäische Union zu einem der wichtigsten Märkte für gefälschte Produkte. Waren es dabei lange Zeit bevorzugt Markenartikel globaler Konzerne, die im Fokus der Piraterie standen, orientieren sich mittlerweile immer mehr Fälscherbanden auch auf kleinere und mittlere Unternehmen.
Kaum ein Unternehmen kann der Gefahr entkommen
Eine der besonders besorgniserregenden Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte ist, dass sich die Produktpiraterie von einigen Nischenmärkten mittlerweile auf die gesamte Wirtschaft ausgeweitet hat. Entsprechend dieser Entwicklungen hat sich auch die Opfergruppe deutlich vergrößert.
Es ist eine deutliche Tendenz weg von der Fälschung von Produkten für Einzelabnehmer wie beispielsweise Luxusgüter und Textilien hin zu gewerblichen Endkunden zu erkennen. Daraus resultieren einige grundsätzliche Gefahren, die die Ausmaße und Schäden der Produktpiraterie für die Wirtschaft exponentiell ansteigen lässt:
– direkter Umsatzverlust durch den Verkauf gefälschter Produkte statt Originalen
– schlechtere Qualität der Endprodukte
– Imageprobleme eines Herstellers durch gefälschte Waren
– erhöhtes Ausfallrisiko in der Produktion
– Ersatzteile sind schwer bis unmöglich erhältlich
– offizielle Lizenzierung für Hersteller ist gefährdet
Besonders die letzten drei Punkte können für kleinere und mittlere Unternehmen zu gravierenden Umsatzeinbussen führen und haben unter Umständen einen vollständigen Produktionsstopp zur Folge.
Video: Dreckige Geschäftswelt – Markenpiraterie [Doku 2016]
Der Schaden übersteigt den Verkaufswert deutlich
In der Praxis werden gemäß der Entwicklung zwei Szenarien immer wieder beobachtet. Zum einen werden die Produkte eines Betriebes direkt gefälscht und in schlechter Qualität teilweise deutlich unter Wert auf den Markt gebracht, was direkte Umsatzeinbußen zur Folge hat.
Zum anderen werden auch immer mehr Unternehmen Opfer der Piraterie, indem sie ohne Wissen selbst gefälschte Produkte – häufig Anlagen und Werkmaschinen in der Produktion – ankaufen. Es wird geschätzt, dass allein im Maschinen- und Anlagebau in Deutschland 2015 ein Umsatzschaden von etwa 7,3 Milliarden Euro entstanden ist.
Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass Industrieanlagen im Werte von mehreren Milliarden Euro ohne eine angemessene Sach- und Materialprüfung betrieben werden. Das Sicherheitsrisiko, das von solchen gefälschten Markenprodukten ausgeht, übersteigt den reinen Schaden deshalb um ein Vielfaches und hat bereits zu Unglücken wie Flugzeugabstürzen geführt.
Da gefälschte und originale Produkte ihren Ursprung oft in dem selbem Land und teilweise bei derselben Fabrik haben, sind die Kopien nur sehr schwer zu erkennen. Selbst in streng abgeschotteten Branchen wie der US-Amerikanischen Atomindustrie wurden bereits in 10 % der sicherheitskritischen Bereiche Fälschungen entdeckt.
Direkte Einbußen können substanzielle Gefahr werden
Gerade kleine und mittelständische Unternehmen leiden jedoch primär an dem direkten Umsatzverlust, der auf gefälschte Produkte zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu großen Konzernen besitzen sie nicht die notwendige Flexibilität, um auf Produktionsschwankungen schnell und effizient reagieren zu können.
Darüber hinaus bindet das Aufspüren und Verfolgen der gefälschten Produkte und der dadurch entstehende aufwendige Kundensupport wichtige Ressourcen, die gerade in einer angespannten Lage für andere Zwecke benötigt werden. In direkter Folge von Produktpiraterie entstehen deshalb gleich mehrfach Zusatzkosten für erhöhten Arbeitsaufwand und Krisenmanagement bei sinkenden Einnahmen und einer zwangsläufig beeinträchtigten Kundenbindung.
Die beste Strategie heißt Prävention
Der Schaden, der durch Produktpiraterie entstehen kann, ist nicht zu beziffern. Wie in anderen Bereichen besteht die sinnvollste Lösung durch eine mehrfache Prävention, die sowohl Ankäufe wie auch den Markt genau beobachtet und möglichst zeitnah auf aktuelle Entwicklungen reagieren kann.
Wie in vielen kriminellen Geschäftsbereichen sind die Täter und Hintermänner gut vernetzt und an schnellem Erfolg interessiert – ein steigender Arbeitsaufwand und hoher Verfolgungsdruck vermeidet größere Risiken und schreckt Nachahmer zuverlässig ab.
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